Wer in Las Vegas nach einer (zu) langen Partynacht mit einem dicken Kopf aufwacht, sollte sich nicht etwa im Hotelzimmer verkriechen, sondern lieber die Dienste von Hangover Heaven in Anspruch nehmen. Was sich im ersten Moment wie ein Scherz anhört, ist nicht nur ein richtig gut laufendes Geschäft, sondern tatsächlich auch die Rettung für alle Verkaterten.
Las Vegas ist nicht nur für spektakuläre Shows, riesige Casinos und andere Attraktionen bekannt, sondern eben auch für die legendären Partys, die hier gefeiert werden. Das unschöne Ende kommt meist am nächsten Morgen in Form eines dicken Schädels und eines flauen Magens. Gut, dass es in Sin City einen Ort gibt, an dem man sich in solchen Fällen gut um euch kümmert: Hangover Heaven! Ich möchte wissen, was hinter der skurrilen Idee der Kater-Klinik steckt, ob die Therapie auch wirklich hilft und wie sich eine solche Kater-Kur anfühlt. Die Ergebnisse meines Selbstversuchs der ganz besonderen Art lest ihr jetzt.
Welcome to fabulous Hangover Heaven
Als ich zum ersten Mal von Hangover Heaven lese, muss ich schmunzeln. Da gibt es doch wirklich einen Arzt, Dr. Jason Burke, der seine Karriere als Anästhesist an den Nagel gehängt hat, um sich um Menschen zu kümmern, die am Vorabend zu tief ins Glas geschaut haben. „Feel better now!“ springt es mir in grossen Lettern auf der Webseite entgegen, die durchaus auch zu einer normalen Klinik gehören könnte. Eine Telefonnummer erscheint, sie ist 24 Stunden am Tag erreichbar. Irgendwie ist das Konzept so verrückt und so typisch für Las Vegas, dass ich zum Hörer greife und mir einen Termin bei dem Hangover Doc mache.
Ich habe Glück, Dr. Burke und sein Team aus gelernten Krankenpflegern haben noch einen Termin in ihrer heutigen Sprechstunde frei und wollen mich schon bald in ihrem Hangover Bus an meinem Hotel abholen. Was für ein Service, denke ich und klicke mich noch etwas durch die Webseite, auf der sich das Hangover Team damit brüstet, bereits über 40.000 Kater gekillt zu haben. Ich lese alles über „Veisalgia“, wie der gemeine Kater im Fachjargon genannt wird, über seine genauen Ursachen (es hat tatsächlich nicht nur etwas mit Dehydrierung zu tun) und darüber, wie Dr. Burke der ungeliebten Begleiterscheinung des Alkoholgenusses an den Kragen gehen will. Inspiriert worden sei er, so heisst es auf der Webseite, während seiner Arbeit als Anästhesist. Die Folgen einer Narkose seien denen eines Katers nämlich gar nicht so unähnlich, sodass auch die gleichen Medikamente dabei helfen, die Übelkeit, den Schwindel und den rasenden Kopfschmerz zu bekämpfen. Eine Antwort auf die Frage, warum Dr. Burke sich für die Behandlung von Verkaterten kümmere, finde ich direkt unter den ausführlichen medizinischen Erklärungen: „Sollten wir einen ganzen Tag unserer Ferien verlieren, nur weil wir am Abend zuvor versehentlich zu viel getrunken haben?! Ich sage NEIN!“
Eine Fahrt im Hangover Heaven Bus
Jetzt bin ich wirklich neugierig. Anscheinend erwartet mich im Hangover Bus nicht irgendein Spass-Event, sondern tatsächlich eine richtige medizinische Behandlung. Ich warte draussen vor meinem Hotel, als der fast 14 Meter lange Hangover Bus um die Ecke rollt. Eine babyblaue Folie schützt die verkaterten Insassen vor neugierigen Blicken und der brütenden Hitze Nevadas, die einen Kater noch unerträglicher macht. „Feel like hell?“ steht auf dem Hangover Bus geschrieben, die Tür geht auf und eine angenehm klimatisierte Luft zieht mich wie von selbst in das Innere des Trucks, in dem bereits zehn weitere Mitfahrer sitzen. Mit einer gemütlichen Loungeecke, einer kleinen Küche und Fernsehern ausgestattet, wirkt der Hangover Bus gerade zu gemütlich und einladend. Bevor es ans Eingemachte geht, muss ich einen Check meiner Krankengeschichte über mich ergehen lassen. Vorerkrankungen, Allergien… das alles wird abgefragt und dokumentiert, bevor die Injektionsnadel fachmännisch und schnell gesetzt wird.
Ein Gemisch aus Wasser, Vitaminen, Elektrolyten und Schmerzmitteln wird im Hangover Bus intravenös verabreicht. Der Körper nimmt die katerlindernden Stoffe durch das Blut schneller auf und ihr seid den dicken Kopf im Handumdrehen los.
Zwischen drei Behandlungen können sich die Verkaterten entscheiden: Zum einen wäre da die Redemption 3.0 Hangover Cure für $159, die Salvation IV Hangover Cure für $199€ und die ultimative Rapture Hangover Cure für $259. Je nach Behandlung werden verschiedene Mengen Kochsalzlösung, Vitamine und Schmerzmittel in die katergeschundenen Körper gejagt. Ich entscheide mich für die Redemption 3.0 Hangover Cure und bekomme das Versprechen, dass mein Kater binnen einer Stunde verschwunden sei. Ich fahre mit dem Hangover Bus über den Strip, während mir Dr. Burke noch mehr über Hangover Heaven erzählt und die Kochsalzlösung langsam in meine Venen fliesst. Unangenehm ist das nicht, und schon bald merke ich die ersten positiven Auswirkungen der Katerkur: Mein übernächtigter Körper fühlt sich dank Dr. Burks Kur schon um einiges fitter an.
Burke reicht mir zwei Tabletten, die ich als nächstes schlucken soll und erzählt mir von den krassesten Hangover Stories, die er in den 5 1/2 Jahren, seit denen es den Service nun schon gibt, erlebt hat. Dass sich Patienten auch mal übergeben, sei vollkommen normal, das Team ist auf jede Situation bestens vorbereitet und weiss mit den schlimmsten Katern umzugehen.
Insgesamt wird der Service häufiger von Männern in Anspruch genommen, das Alter variiert dabei zwischen 21 und 60 Jahren. Dr. Burke erzählt mir, dass der durchschnittliche Las Vegas Tourist nur rund 2 1/2 Tage in Sin City ist, von denen er oder sie natürlich nichts verpassen möchte. War die Partynacht in Vegas also zu heftig (und glaubt mir, das ist sie oft), ist das mittlerweile 20-köpfige Team von Hangover Heaven gerne mit ihrem Bus, in der Klinik oder sogar direkt auf dem Hotelzimmer des Leidenden zur Stelle, um die Ferien zu retten.
Die Party kann weitergehen
Nach einer knappen Stunde im Hangover Heaven Bus ist meine Behandlung abgeschlossen und ich werde wieder zurück zum Luxor Resort & Casino gebracht. Zum Schluss bekomme ich noch eine Packung von Dr. Burkes Prep-Pillen, die mich vor dem nächsten Kater bewahren sollen und die auch übers Internet erworben werden können. Immerhin ein kleines Trostpflaster für alle, die einen solchen Service auch gerne in der Schweiz hätten, denn die muss Dr. Burke leider vorerst enttäuschen. Las Vegas sei einfach die perfekte Stadt, um ein solches Business zu führen – grosse Hotels und billiger Alkohol in den Casinos sorgen täglich dafür, dass dem Hangover Heaven nie die Kundschaft ausgeht. Das ist in anderen Städten einfach anders.
Ich schaue dem blauen Gefährt nach und denke mir schmunzelnd, dass es so etwas wohl nur in Las Vegas geben kann, bevor ich mich auf dem Weg in mein Hotelzimmer mache, um mich für die nächste Party fertig zu machen. Denn nur eines kommt in Vegas mit grösserer Gewissheit als der Kater am nächsten Morgen: die nächste Party.